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#bleibdaham

Liebe Musikantinnen, liebe Musikanten, lieber Kapellmeister, geschätzte Ehrenmitglieder, liebe Freunde der „Ischgler Musi“ aus Nah und Fern!

Wir schreiben den 28. März 2020, es ist 20:30 Uhr. Die charmante, liebevolle Stimme von Eva Hausberger begrüßt die Zuhörer im sehr gut gefüllten Konzertsaal. Zahlreiche liebe Gäste, Einheimische und viele Musikfreunde sind gekommen um einen Abend voller Musik zu genießen. Die Nervosität steigt, unser Kapellmeister Thomas Jehle betritt die Bühne, die hellen, warmen Lichtstrahler bilden die ersten Schweißperlen an der Stirn einzelner Musikanten, im Publikum wird es still und der Taktstock erhebt sich. Es erklingen die ersten Töne aus dem Werk „Drottningholmsmusiken“ (schwedische Barockmusik) mit dem Stück Allegro und Vivace von J.H. Roman. Die Instrumente mit Piccolo, Flöte, Fagott, Oboe, Klarinette, Saxophon, Horn, Trompete, Flügelhorn, Euphonium, Bariton, Posaune, Tuba und Kontrabass sind gut gestimmt, der Rhythmus der Schlagzeuger passt und traditionsbewusst gibt jede einzelne Musikantin und jeder einzelne Musikant aus unserem Dorf all sein Bestes um die neuen eingelernten Stücke darzubieten. Eva führt wunderbar durch den Abend. Es folgt der Marsch „Gruß aus Wien“, das Stück „S‘isch äbe-n-e Mönsch uf Ärde“ und zum Abschluss des 1. Konzertteiles begibt sich unser Solist Peter Kurz mit seinem Euphonium an die vordere Stelle der Bühne um mit dem Werk „The Green Hill“ als Solist das Publikum zu begeistern. Bei dieser keltischen Musik wird lyrisches bzw. auch technisches/virtuoses Können abverlangt. Pause, 1. Teil geschafft. Bis auf ein paar Kleinigkeiten hat sich die harte und mühevolle Probenarbeit im Winter gelohnt, unser Kapellmeister ist mit den Darbietungen und Leistungen zufrieden und wir können selbstbewusst den 2. Teil mit „Lord Tollarmore“ (symphonische Verarbeitung von Irischer Folk Music) komponiert von C. Wittrock starten. Es folgen symphonische Werke mit „Dionysos“ (Programmmusik über den Gott des Weines in der griechischen Mythologie), „Terra Pacem“ (in diesem Werk wird unser Frieden auf der Welt als Thematik bearbeitet) und zum Abschluss Filmmusik von John Williams mit dem bekannten Stück „Indiana Jones Selection“. Großer Applaus im Saal ertönt, 2 Zugaben folgen und schon wieder ist das 33. Frühjahrskonzert zu Ende. Alle Musikantinnen und Musikanten sind froh, dass es uns wieder gelungen ist, das Publikum und all die vielen Zuhörer für ca. 2 Stunden zu begeistern und jeder Einzelne ist erleichtert, dass ihm die einzelnen Töne, Melodien und Rhythmen gut gelungen sind. Ende. Aber… „OH NEIN“ – „Das darf nicht wahr sein“…

NEIN – es war ein Traum. Stille, Leere, einfach nichts. Denn heute erklingen keine Töne, keine Musik, die Probenarbeit war umsonst und wer denkt am heutigen Tag schon an Blasmusik und an das Frühjahrskonzert - den musikalischen Höhepunkt der Musikkapelle Ischgl? Eigentlich niemand. Traurig und ruhig ist es im Ort geworden, alle Lichter sind aus, nirgends ertönt Musik (egal ob Schlager, klassische Musik, Rock/Pop, Blasmusik oder jedes andere Genre der Musikszene), die Straßen sind menschenleer und unser doch so geliebtes Ischgl hat sich binnen kurzer Zeit in ein „Geisterdorf“ verwandelt. Die Gesellschaft hat kein Interesse mehr an Blasmusik, viel Freude daran ist verloren gegangen und die tollen Probenräume im Kulturzentrum sind seit einiger Zeit unbewohnt und ohne jegliche Stimme verblasst. Ja wir schreiben den 28. März 2020 und das ist die Realität.

Als wir unseren lieben und geschätzten Ehrenkapellmeister Otto Jehle am 9. Dezember 2019 auf seinem letzten Weg begleiten durften, sein gesamtes Leben war geprägt von Musik, konnte niemand erahnen, dass es ein paar Monate später keine Klänge mehr in Ischgl und der „Ischgler Musig“ geben wird. 63 Jahre hat er fast täglich ohne Probleme sein Flügelhorn in die Hand genommen, 26 Jahre die Geschicke unseres Vereines geleitet. Hätte er in diesen Jahren mal daran gedacht, dass es eine Zeit ohne Musik im Dorf geben wird? Wohl nicht. Hätten wir ihm das Zeit seines Lebens erzählt, wären wohl die Worte gefallen: „Meine lieben Musikanten, bitte geht’s zur Probe, haltet’s zusammen und spielt’s wie gewohnt Euer Konzert“.

Und was denkt wohl am heutigen Tag unser Ehrenkapellmeister Erich Wechner: Am 7. Mai 1988 wurde das 1. Frühjahrskonzert unter seinem Taktstock aufgeführt, bis 2019 waren es somit unter 3 Kapellmeistern bisher 32 Konzerte. Er verstand es viele Jugendliche und junge Leute aus Ischgl zur Musik und unserem Verein zu bewegen, hielt damals sogar noch in seinen eigenen 4 Wänden Einzel- und Teilproben ab und sein Können mit seinem Talent wirkt bei vielen Musikanten bis heute. Hätte er in der Vergangenheit mal daran gedacht, dass es aufgrund einer weltweiten Epidemie in unserem Ort keine Musikdarbietungen mehr geben wird? Eher nicht.

Seine Geschicke übergab unser lieber Erich an Michael Wechner. Was denkt wohl er am heutigen Tag, leitete doch auch er 15 Frühjahrskonzerte mit Bravour. All seine Jahre bis heute waren durchaus nur geprägt von Musik, all seine Leistungen bewegten unsere Kapelle musikalisch dorthin, wo wir heute stehen. Hätte er gedacht, dass es nach seiner Tätigkeit als Kapellmeister im Jahr 2015 Mal ein Jahr ohne Frühjahrskonzert geben wird, das aber nicht aufgrund von eventuell schlechter Probenarbeit oder zu schlechten Leistungen der Musikantinnen und Musikanten abgesagt werden muss? Wohl auch eher nicht.

Oder unsere lieben Musikkameraden Franz Kurz und Rudolf Winkler. Beide derzeit die längst dienenden Musikanten unseres Vereins und bereits 53 Jahre aktive Musikanten der Musikkapelle Ischgl. Wie oft musste Franz in seinem Betrieb seinen Dienstplan aufgrund von Proben und Konzerten verändern? Wie oft hat denn unser Rudl schon seinen „Stalldienst“ zu Hause verschoben, damit er seinen VW Caddy mit MK-Logo starten kann und somit ja keine Probe und Ausrückung fehlt? Rudl hätte sowieso immer noch eine Teil- und Vollprobe mehr eingeschoben, damit beim Frühjahrskonzert ja nichts daneben geht. Hätten diese 2 freudigen Musikanten jemals gedacht, dass es in ihrer langen Musikerlaufbahn keine Proben mehr geben darf und die Instrumente nur mehr zu Hause und in den eigenen 4 Wänden gespielt werden dürfen. Hätte man das mit beiden beim letztjährigen Frühjahrskonzert diskutiert, hätten wir 100%ig die Antwort bekommen: „Die spinnen die Jungen“.

Und dann ist ja noch der derzeit wichtigste Mann unserer Kapelle, unser Karalis Thomas. Langjährige Erfahrung bei unserem Erich und Michael gesammelt, Musik auf seiner Klarinette und Dirigieren fertig studiert, denn sein Alltag besteht heute hauptsächlich aus musikalischer Arbeit für unser Dorf, damit die Geschicke unseres Vereins ja zur besten und vollsten Zufriedenheit weiterlaufen. All sein Können, all seine Arbeit während dieses Winters – UMSONST. Er ist der erste von den derzeit 3 lebenden Kapellmeistern in Ischgl, welcher es heute hautnah erleben muss. Er darf und kann kein Frühjahrskonzert dirigieren und all seine begeisterten und lieben Musikkolleginnen und Musikkollegen der „Ischgler Musi“ müssen zu Hause bleiben. Schon irgendwie tragisch oder?

Ja in kurzer Zeit ist es still in unserem Dorf geworden, die mediale Berichterstattung über unseren Ort wird zum Laster jedes Einzelnen und komischerweise sind wir die Ruhe der letzten Tage schon fast ein wenig gewohnt. Über Generationen, Jahrzehnte und Jahre waren die Töne und Stimmen unserer Kapelle fixer Bestandteil vieler Bürger in unserer Gemeinde. Seit dem weißen Sonntag im Jahr 1947 sind die Töne nie mehr verstummt und durften tagtäglich miteinander gespielt werden.

… aber im Jahr 2020 kam es eben anders.

Liebe Musikantinnen und Musikanten, all Ihr lieben Freunde unseres Vereins und besonders unserer Musik: Lassen wir uns nicht unterkriegen, schalten wir die TV-Geräte öfters aus, lehnen uns zurück und horchen ab- und zu während des Tages einfach Musik, die uns begeistert, die uns gefällt und die uns in gewohnter Weise von unserem Alltag ablenkt. Hoffen wir, dass wir im Verein die musikalische Arbeit und Probentätigkeit bald wieder aufnehmen dürfen, Euch allen in unserem schönen Ort demnächst unser Einstudiertes wieder darbieten dürfen und damit allen wieder bald Freude bereiten dürfen. Denken wir also einfach sehr positiv in die Zukunft, Musik wurde ja bekanntlich noch nie zerstört und nehmen das Zitat von Victor Hugo ein wenig ernst:

„Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist“

In diesem Sinne liebe Einheimische, freut Euch auf ein „hoffentlich baldiges“ Konzert unserer Musikkapelle, dann hört es sich hier in Ischgl sicherlich bald wieder fröhlicher an.

„Bleiba mir daham - bleiba mir gsund“

Dietmar Walser, Obm. MK-Ischgl

Jahr 2017: „unsere Kapellmeister seit 1963“ ©Hannes Kurz

 

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